Mac hat geschrieben:Mein Hauptkritikpunkt ist hier einfach die Grundannahme, dass jedes christliche Fest irgendwo eine Entsprechung im vorchristlichen gehabt habe
Die Warnung kann man nicht oft genug wiederholen. Es wäre mir allerdings ein Anliegen, nicht so verstanden zu werden.
Die ganzen Prozesse sind viel zu komplex, um hier 1:1 Übertragungen konstruieren zu können. Selbst in den Fällen, wo Überdeckungen dokumentiert sind, ist es schwierig.
Mir geht es viel eher darum, ekennbare Muster unserer Gesellschaften heraus zu arbeiten. Wir waren über Jahrtausende landwirtschaftlich geprägt, und es sind Tendenzen erkennbar, die über all die Zeit grundlegend keine Veränderungen efahren. Tendenzen, die sich auch logisch erschließen und unserer Umwelt geschuldet sind. Hätten wir Ursprünge in nomadischen Viehaltergesellschaften oder reinen Jäger- und Sammlergesellschaften, hätte sich das anders ausgewirkt.
Das ist ein Punkt, der mir immer ein wenig in den wissenschaftlichen oder wissenschaftlich gehaltenen Betrachtungen fehlt. Bis hin zu Lachanfällen, wenn Roux verzweifelt herumkonstruiert, warum denn jetzt Imbolc und Co nicht auf den astronomischen Punkten der Tag-und Nachtgleichen bzw auf den Sommerwenden liegt. Und dann zu so großartigen Schlüssen kommt, weil sie bei Imbolc um ungefähr 40 Tagen verschoben liegt, irgendeine christliche Teufelei wegen ihren 40 Tage Regeln zu vermuten. Das zeugt einfach nur von einer völligen Unkenntnis über die tatsächliche Lebensweise in Gallien, bzw den anderen landwirtschaftlich geprägten Gesellschaften.
Und ich frage mich auch, ob bei der ganzen Rätselei um den Colignykalender mal jemand auf den Gedanken gekommen ist, neben der astronomischen Konstruktion den Kalender auch mal vor dem Hintergrund eines bäuerlichen Jahreskreises zu betrachten. Der Jahreskreis, den man eben mit
der stark vereinfachten Grundformel Winter = viele Feste, Frühling = etliche Feste mit Licht, Sommer = wenig, dafür oft ein oder zwei Hauptfeste sozialer Art, Herbst = Erntefeste, Sommerende und zuletzt dem erkennbaren Umstand des zweiteiligen Jahres beschreiben kann.
Um das alles aber wirklich zu erfassen, muss man sich durch jede Menge Kuddelmuddel und Mythen graben. Alleine für Lichtmess werden drei Erklärungen angeboten - die römischen Lupercinalien, dann wegen der in der Frühkirche stattfindenden Fackelumzüge die Gleichsetzung mit dem griech.röm. Frühfrühlingsfest "Raub der Prospertina" und zuletzt ein nicht näher beschriebenes, alle 5 Jahre stattfindendes heidnisches Sühnefest. Und dan kommt dazu, wie die Bevölkerung diese kirchlichen Feste aufgefasst und was sie daraus gemacht haben. Und genau da kann man Grundvorstellungen herausarbeiten.
Und um jetzt wieder auf den Frühling zurückzukommen: Da finde ich halt entscheidend, was denn die tatsächlichen Bedürfnisse unserer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft gewesen. Wie haben die ollen Kelten zu der Zeit gelebt? Was bewegten sie und die späteren, besser dokumentierten landwirtschaftlichen Gesellschaften, woraus man Rückschlüsse ziehen könnte?
Und bislang sehe ich vor allem sehr ausufernd Opferbräuche. Aber kaum wirkliche Festpunkte wie Lichtmess/Petri Stuhl oder die 1.Mai Geschichten.